Arbeitszimmer des Herzogs

Endlich war Bruce zwar zu Hause doch zu seinem Bedauern waren weder Elliot, Vanessa noch die Adoptivbrüder auffindbar gewesen. Dafür aber wartete ein riesiger Haufen an Arbeit auf ihn, sowie zwei Pandora-Kontaktmänner, die ihn schon erwartet hatten, um Formalitäten bezüglich seines Eintritts in den Vorstand zu klären; sie wurden wohl von den anderen herzögen geschickt, die zurzeit wohl alle Hände voll zu tun hatten. Aus dem Gerede der Pandora-Mitarbeiter ließ sich erschließen, dass dort wohl einiges vorgefallen sein musste. Er würde sich damit zu einem späteren Zeitpunkt auseinandersetzten. Jetzt musste er erst einmal etliche Male seine Unterschrift auf unzählige Papiere setzten, die er sich zuvor durchgelesen hatte und die Pandora-Mitarbeiter reichten ihm immer wieder neue Dokumente, die er nach ihrer Wichtigkeit auf verschiedene Stapel sortierte.
Bruce war so konzentriert auf seine Arbeit, dass er das Klopfen Arthurs zuerst nicht mitbekam und aus dem Gerede der Pandora-Männer nur die wichtigsten Informationen herausfilterte.
Sein Diener trat ein und erst jetzt bekam Bruce am Rande, dessen Anwesenheit mit. Eigentlich war er davon ausgegangen, dass sich der Blonde zurückziehen und von den Strapazen erholen würde. Anscheinend hatte er sich geirrt, denn stattdessen servierte er ihm den Tee. Bruce erwiderte nichts. Es verstrichen einige Sekunden, bis der vitalisierende Duft des Tees in seine Nase stieg und er an Arthur gewandt sprach, ohne jedoch aufzusehen:
„Du solltest dich noch ausruhen, Arthur.“
Er schrieb ein weiteres Mal seinen Namen auf eines der Blätter und legte es auf einen Stapel für 'erledigt'. Anschließend nahm er einen kleinen Papierstapel von einem noch viel größeren, lehnte sich in seinen Sessel zurück und begann die ersten Zeilen zu lesen, während er nach der Teetasse griff und an der heißen Flüssigkeit nippte; den Blick noch immer auf seine Arbeit gerichtet als könnte ihn nichts davon abbringen.

Erst einige Momente später als er Arthur Worte abermals durch seinen Kopf gehen ließ – hatte er grade etwas wirklich Interessantes gelesen und seinen Diener deshalb nur beiläufig zugehört – wurde ihm bewusst, dass dieser ihm doch tatsächlich widersprach.
Er stellte die Teetasse demonstrativ wieder ab, schenkte Arthur allerdings, nach wie vor, keinen Blick und erwiderte kühl:
„Das war keine Frage und auch keine Bitte.“
Derartige Widerworte hasste er – erst recht von Leuten, die unter ihnen standen, da konnte er noch so gut mit ihnen befreundet sein. Zumal er für solche Diskussionen grade weder die Geduld noch die Zeit hatte. Außerdem war er sich zimlich sicher, dass Arthur in dieser Sach nicht ganz ehrlich zu ihm war. Niemand erholte sich so schnell von derartigen Strapazen, wie sie sie erlebt hatten nur wenige Stunden zuvor; und erst Recht niemand, der ohnehin sehr anfällig für Krankheiten zu sein schien und teilweise mehrere Wochen nicht in der Lage war seiner Arbeit nachzukommen. Zudem war es unteranderen nicht nur sein Job seinen Angestellten Befehle zu erteilen und sie für sich arbeiten zu lassen, dazu gehörte auch auf sie und ihr Wohl zu achten.
„Wenn du wirklich was Produktives leisten willst, dann tu, was ich dir sage. Wenn du nur halb gesund bist, kannst du auch nur halbherzige Taten vollbringen und ich will nicht hinter dir aufräumen müssen.“, fügte er hinzu. Eigentlich wusste Arthur, dass Bruce Halbeschen nicht ausstehen konnte und, dass er Wert darauf legte, dass man in der Lage war dies zu vermeiden.
„Wenn du ausgeruht bist und ich mit den Berichten fertig bin, kannst du sie zu Pandora bringen.“
Mit diesen Worten wandte er sich auch nochmal an die Mitarbeiter eben jener Organisation:
„Sie können, dann auch gehen.“
Bruce erledigte seine Arbeit lieber, wenn er alleine war und seine Ruhe hatte.

So viel zu den halbherzigen Taten – kaum hatte Bruce seinen Diener mit einer strengen Ermahnung widersprochen, so gab dieser seinen eigenwilligen Gedanken auf. Das war genau das wovon Bruce gesprochen hatten; Arthur war noch immer zu angeschlagen, um sich weiterhin gegen ihn aufzulehnen. Dabei hatte der Schwarzhaarige sich fast sogar ein bisschen darauf gefreut es seinem Diener noch schwerer zu machen, doch dieser erinnerte sich wieder, wo sein Platz war und gab letztlich nach.
Arthur verkündete, dass er sich dann doch ausruhen würde und verließ mitsamt des Silbertabletts das Büro. Die Pandora-Mitarbeiter folgten ihm.
Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, lehnte Bruce sich entspannt in seinen Sessel zurück.
Ruhe. Wie wunderbar! Nicht einmal das Gezwitscher der Vögel von draußen vernahm er, durch die geschlossenen Fenster. Zu jeden anderen Zeitpunkt würde ihn das unruhig werden lassen; da eine derartige absolute Stille nie etwas Gutes verhieß. Das letzte Mal erinnerte er sich an diese Art von Ruhe begegnet zu sein als er in jüngeren Jahren das Abysstor der Nightrays aufgesucht hatte. Einmal und nie wieder! Er hatte sich damals nicht davor gefürchtet – abgesehen von der heruntergekommenen Gestalt von Arthur, dem er damals dort begegnet, war hatte ihn einen Schrecken eingejagt – aber grade das hatte ihn einen Schock versetzte; weil ihm damals schon die alles verschlingende Finsternis so vertraut vorkam, als würde sie ihn rufen; obgleich er zuvor nie etwas mit dem Abyss zu tun gehabt hatte*.
Ein müdes Seufzen entwich dem angehenden Herzog; dennoch, nach all dem Tumult des heutigen Morgens tat ihm diese Stille ungeheuerlich gut.
Er griff einmal mehr nach seiner Teetasse und führte sie zu seinem Mund, während er skeptisch den wichtigen Papierstapel, den er heute noch abarbeiten müsste + den Ereignisbericht für Pandora. Bruce hatte sich bereits ausgemalt, dass er für den dritten, unbekannten Chain einen extra Bericht anfertigen würde, getrennt von dem eigentlichen Vorfall – diesen Bericht würde er auch erst einmal bei sich behalten und ihn irgendwann, wenn er den Zeitpunkt für richtig hielt, selbst zu Pandora bringen.
Er stellte die empfindliche Porzellantasse wieder auf der Untertasse ab, wobei ein klares Klirren erklang und griff, nachdem Dokument, dass ihn offiziell zum Herzog machen würden. Gleich mehrere Male ließ er sich dieses durch aber er war sich schon vor dem ersten Lesen sicher: seine Unterschrift würde unter diesem Dokument besonders gut aussehen!
Bruce stürzte sich wieder in seine Arbeit und somit vergingen zwei Stunden, bis es wieder an seiner Tür klopfte. In der zwischen Zeit war der Stapel für die wichtigen Anliegen erheblich kleiner geworden und waren auf der anderen Seite des Schreibtisches zu einem neuen Stapel herangewachsen; für dir bereits erledigten Dokument – manche davon hatte er rücksichtslos abgelehnt.
Bruce stand am Fenster, hatte dieses geöffnet und konnte nun wieder den Gesang der Vögel genießen, während er die Wärme der Sonne auf seiner Haut spürte, die durch das große Fenster hereinschien. In der Teetasse war noch ein letzter Rest kalt gewordener Tee, die Kanne jedoch war leer.
Als Arthur das Büro betrat, wandte Bruce sich um und nutzte die ersten Sekunden, um seinen Diener zu mustern.
Dieser wirkte nun schon viel ausgeruhter, vitaler und konzentrierter. Dennoch wollte Bruce es von ihm direkt wissen, obgleich er sich dessen Antwort schon denken konnte.
„Wie geht es dir?“, fragte er.
Der Schwarzhaarige deutete auf seinen Schreibtisch und fügte im ernsten Ton hinzu:
„Wenn du soweit bist, dann nimm die Mappe, die dort liegt und bring sie nach Pandora. Darin befindet sich unter anderem das Dokument, was mich offiziell zum Herzog macht – also passe gut darauf auf.“